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Argentinien

Gedan­ken zur Sprache

Eng­lisch ist am Anfang ein­fach zu ler­nen, wird aber dann mit fort­schrei­ten­der Sprach­kom­pe­tenz immer schwie­ri­ger. Denn je bes­ser man die Fein­hei­ten erkennt, des­to auf­fäl­li­ger erschei­nen einem die klei­nen Unter­schie­de, die die rich­ti­ge Wort­wahl ausmachen.

Im Spa­ni­schen ist es mei­ner Mei­nung nach umge­kehrt. Am Anfang muss man sich erst­mal durch die gan­zen Kon­ju­ga­tio­nen quä­len: Es gibt zwar auch nur einen Prä­sens, dafür aber zwei Future, drei Ver­gan­gen­heits­for­men (das Plus­quam­per­fekt nicht ein­ge­rech­net) und von den meis­ten Zei­ten auch noch eine Form im Sub­jun­tivo (die Aspekt­form, die Unge­wiss­heit aus­drückt) plus das Kon­di­tio­nal. Die meis­ten der Zei­ten gibt es im Fran­zö­si­schen zwar auch, doch im Fran­zö­si­schen hört man beim Spre­chen den Unter­schied zwi­schen den Per­so­nen nicht, man kann also rich­tig spre­chen, ohne die kor­rek­te Schreib­wei­se zu kennen.

Hat man sich beim Spa­ni­sch­er­werb aber erst ein­mal die Kon­ju­ga­tio­nen ein­ge­prägt, wird es ein­fa­cher: Vor allem bei den Ver­ben benutzt man näm­lich nur einen begrenz­ten Wort­schatz. Mit

  • ser/estar (sein, sich befinden)
  • ir (gehen, funk­tio­nie­ren, Auxiliar)
  • venir (kom­men)
  • salir (eine Bewe­gung aus etwas heraus)
  • sacar (kann gene­rell immer ver­wen­det werden)
  • poner (set­zen, stel­len, legen)
  • hacer (machen, tun)
  • haber (haben, geben)
  • tener (haben)
  • deber (müs­sen, schulden)
  • que­rer (wol­len)
  • lle­var (neh­men)
  • dejar (las­sen)

kommt man schon sehr weit, da sämt­li­che Phra­sen, Wen­dun­gen und Aus­drü­cke mit die­sen Ver­ben gebil­det wer­den. Die spa­ni­sche Spra­che ist in die­ser Hin­sicht also wenig kreativ.

Das macht sie aber durch ihre Viel­falt an Regio­na­lis­men wett; für fast jedes All­tags­wort, das man in einem ibe­ro­zen­tris­ti­schen Sprach­kurs lernt, gibt es in jedem latein­ame­ri­ka­ni­schen Land – teil­wei­se sogar regio­nal – ein Äqui­va­lent. So sagt man hier nicht coche son­dern auto, nicht dine­ro son­dern pla­ta, nicht pata­ta son­dern papa.

Ganz sub­jek­tiv kann ich sagen, dass ich das Spa­ni­sche zwar sehr mag, weil es eine schö­ne Spra­che ist und ich mich dar­in auch wohl füh­le. Lie­ben tu ich aber Englisch.

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Argen­ti­ni­sche Heiztechnik

Da es in der sub­tro­pi­schen Zone Tucumáns im Win­ter nur weni­ge kal­te Wochen gibt, und selbst in denen gehen die Tem­pe­ra­tu­ren eigent­lich nie unter null Grad, sind die Woh­nun­gen auch nicht mit Hei­zun­gen aus­ge­stat­tet. Trotz­dem kann es  – nicht zuletzt wegen der hohen Luft­feuch­tig­keit – recht unge­müt­lich frisch sein.

So auch zur Zeit bei uns in der Woh­nung. Aber mei­ne Mit­be­woh­ner wis­sen sich zu hel­fen, denn wie wird geheizt? Ein­fach den Gas­ofen anma­chen und die Ofen­tür offen­las­sen. Und das seit bereits fünf Stunden!

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Fast schon flüs­si­ge Luft

Eine klei­ne Demons­tra­ti­on, damit ihr euch vor­stel­len könnt, wie die Wet­ter­ver­hält­nis­se hier so sind:

Ich sit­ze gemüt­lich im Bett und esse zu Mit­tag, da sehe ich, dass es beim Aus­at­men aus mei­nem Mund her­aus­dampft. Mich wun­dert das, denn mein Essen ist eigent­lich gar nicht so heiß. Doch auch ohne Nudeln im Mund dampft es beim Hau­chen. Ein Blick auf das Hygro­me­ter sagt mir, dass wir heu­te 75% Luft­feuch­tig­keit haben. Das ist für tucu­ma­ni­sche Ver­hält­nis­se eigent­lich nicht hoch, aber anschei­nend tun die nied­ri­gen Tem­pe­ra­tu­ren ihr übriges.

Ist aber halb so schlimm, denn außer bei Aus­at­men hat es kei­ne Aus­wir­kun­gen auf den Kör­per. Der Wäsche gehts da schon schlech­ter, sie braucht vier Tage zum Trocknen.

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Wie neu­ge­bo­ren

Ich füh­le mich gera­de wie neu­ge­bo­ren. Ab Don­ners­tag besu­chen mich näm­lich mei­ne Mut­ter und mei­ne Schwes­ter.  Sie kom­men vor­mit­tags in Cór­do­ba an, wes­halb ich einen Flug von Tucumán nach Cór­do­ba mit der Flug­ge­sell­schaft Sol gebucht hatte.

Heu­te mor­gen erhielt ich eine E‑Mail, dass mein Flug jedoch gestri­chen wur­de. Im ers­ten Moment reg­te ich mich natür­lich tie­risch auf und woll­te, dass sie mir einen ande­ren (bes­se­ren) Flug anbie­ten. Als ich dies mei­ner Mit­be­woh­ne­rin erzähl­te, berich­te­te sie mir, dass es vor ein paar Wochen zu einem Flug­zeug­ab­sturz ohne Über­le­ben­de bei Sol gekom­men war, und das zum wie­der­hol­ten Male.

Lie­bens­wer­ter Wei­se rief mei­ne Mit­be­woh­ne­rin bei der Hot­line an und fand her­aus, dass mein Flug­zeug vom glei­chen Typ wie die abge­stürz­te Maschi­ne gewe­sen wäre. Einen Ersatz­flug am sel­ben Tag mit Sol lehn­te ich ab und las­se mir nun lie­ber das Geld für den Flug erstatten.

Somit fah­re ich jetzt am Don­ners­tag mal wie­der mit dem Bus. Das dau­ert zwar län­ger, aber er kommt wenigs­tens an.

Übri­gens: Der Name „Sol“ erin­nert mich an Ika­rus, der auch zu nah an die Son­ne her­an flog und dann abstürzte.

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Die unbe­schreib­li­che Wesens­art des Seins

Auch wenn das Semes­ter (kurio­ser­wei­se auf die­ser Sei­te der Erde ja das Win­ter­se­mes­ter) schon lang­sam dem Ende ent­ge­gen­strebt, war heu­te – dank ein­ge­stürz­tem Dach der Fakul­tät – end­lich die ers­te Sit­zung eines Semi­nars, das Stu­die­ren­den höhe­rer Semes­ter einen Über­blick in die deut­sche Kul­tur, Spra­che und Lite­ra­tur geben soll. Das Semi­nar schließt ein biss­chen Sprach­un­ter­richt mit ein, sodass am Ende ein A1-Sprach­ni­veau erreicht ist.

Dabei fiel mir wie­der auf, wie unmög­lich man etwas Ungreif­ba­res sprach­lich ver­mit­teln kann, wenn die Leu­te es nicht selbst erlebt haben. Wie wür­det ihr zum Bei­spiel jeman­dem die Schuld­ge­füh­le erklä­ren, die alle Deut­schen dank Schul­bil­dung und Medi­en wegen des Nazi-Regimes pla­gen? Es glaubt mir hier nie­mand, wenn ich als Mitt­zwan­zi­ge­rin pein­lich berührt von mei­ner natio­na­len Geschich­te bin, die über 40 Jah­re vor mei­ner Geburt pas­siert ist.

Den­noch habe ich öfter das Gefühl, dass die Men­schen in Argen­ti­ni­en wenigs­tens unge­fähr nach­voll­zie­hen kön­nen, wor­um es geht; auch hier hat man mit den Mili­tär­dik­ta­tu­ren eine zumin­dest in Ansät­zen ver­gleich­ba­re Ver­gan­gen­heit hin­ter sich.

Und auch den Unter­schied in der deut­schen Men­ta­li­tät zwi­schen Ost und West kann man nur schwer anschau­lich dar­le­gen, schon gar ohne die Wör­ter „Kom­mu­nis­mus” und „Kapi­ta­lis­mus” in den Mund zu neh­men. Auf die­se Gemein­plät­ze greift man jedoch meist ver­zwei­felt zurück, was das Ver­ständ­nis der Zuhö­ren­den aller­dings oft­mals auf Kli­schees reduziert.

Unse­re Wesens­art ohne die Nazis und die Wen­de zu erklä­ren, das scheint genau­so unmög­lich, wie eine Wen­del­trep­pe zu beschrei­ben, ohne die Hän­de zu benutzen.

In den kom­men­den Sit­zun­gen wer­den wir ver­su­chen, mit Fil­men, Musik und Lite­ra­tur vor allem die­se bei­den Aspek­te der deut­schen Men­ta­li­tät zu ver­an­schau­li­chen. Denn anders ist es kaum mög­lich, wenn man die Deut­schen nicht selbst erlebt hat.