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Ostern in Tilcara

Weil Flü­ge inner­halb Latein­ame­ri­kas sehr teu­er sind, rei­sen alle mit Über­land­bus­sen. Man kann buch­stäb­lich von über­all an jeden Ort kom­men, wobei man meist die Wahl zwi­schen vie­len kon­kur­rie­ren­den Bus­un­ter­neh­men hat. So habe also auch ich die Chan­ce genutzt und bin über Ostern nach Til­ca­ra, einem ver­schla­fe­nen Dörf­chen im Nor­den Argen­ti­ni­ens, gefahren.

Los gings um kurz nach Mit­ter­nacht am zen­tra­len Bus­bahn­hof in Tucumán. Dort geht es tat­säch­lich zu wie an einem Haupt­bahn­hof in Deutsch­land. Übri­gens wur­de das Bahn­netz hier fast kom­plett auf­ge­ge­ben, weil es kaum noch ren­ta­bel ist. Wenn über­haupt ein Zug fährt, dann braucht der meis­tens eini­ge Stun­den län­ger als ein Bus. Die meis­ten Bus­se fah­ren über Nacht, man hat außer­dem die Mög­lich­keit zwi­schen ver­schie­de­nen Rei­se­klas­sen zu wäh­len, also „Eco­no­my”, „Semi cama” (Halb­bett) oder „Cama” (Bett). Es lohnt sich auf jeden Fall, ein paar Pesos mehr für die Cama aus­zu­ge­ben, da bei­spiels­wei­se 18h Fahrt nach Bue­nos Aires im Lie­gen um eini­ges ange­neh­mer sind.

Der Ser­vice im Bus ist aus­ge­zeich­net, ein Ste­ward küm­mert sich um die Rei­sen­den, es wer­den Fil­me gezeigt und man kann sich hei­ßes Was­ser für sei­nen Mate zap­fen (was mei­ne Mit­rei­sen­den auch aus­gie­big taten).

Nach nur 7h Fahrt kam ich also am Grün­don­ners­tag mor­gens um 8 Uhr in Til­ca­ra an. Es war bit­ter­kalt – wie häu­fig nachts im Herbst – aber Til­ca­ra ist zum Glück rela­tiv klein, sodass ich das Hos­tel schnell fand. Ich hat­te mich bei der Aus­wahl nach den Bewer­tun­gen bei Hos­tel­world gerich­tet und was soll ich sagen, das Hos­tel war ein­sa­me Spit­ze! Nicht nur, dass es ein wun­der­schö­nes, typisch latein­ame­ri­ka­ni­sches Haus war, es war zudem noch güns­tig und die Besit­zer aus­ge­spro­chen nett, zuvor­kom­mend und relaxt.

Beim Früh­stück (das bei 8 Euro pro Nacht sogar noch inklu­si­ve war) lern­te ich mei­ne „Mit­be­woh­ner” ken­nen: fast aus­nahms­los allein­rei­sen­de Mädels aus Euro­pa. Dass wir uns alle gleich pri­ma ver­stan­den ist ja wohl logisch (der Abschied nach drei Tagen war dem­entspre­chend traurig).

Nach­mit­tags sind wir ein biss­chen in Til­ca­ra rum­spa­ziert und haben uns Pucará ange­schaut, eine Inka­fes­tung aus dem 12. Jahr­hun­dert, die in den 50er Jah­ren rekon­stru­iert wur­de. Für jeden Bewoh­ner, der dort gelebt hat oder gestor­ben ist, wur­de ein Kak­tus gepflanzt; eini­ge sind meh­re­re Meter hoch (s. Foto). Abends sind wir geschlos­sen in eine Bar gegan­gen, wo argen­ti­ni­sche Live-Musik gespielt wur­de und wir uns am Ende des Abends aus­ge­zeich­net mit der Band und den ande­ren Gäs­ten ver­stan­den haben. Car­ly aus Eng­land stell­te fest, dass sie wohl zur noto­ri­schen Alko­ho­li­ke­rin wer­den müs­se, weil sie mit ein-zwei Glä­sern Wein her­vor­ra­gend Spa­nisch spräche.

Am nächs­tes Tag genos­sen wir das wun­der­schö­ne Wet­ter (um die 30 Grad) und woll­ten abends den Kar­frei­tags­um­zug anschau­en, bei dem die Jung­frau aus der Kir­che geholt und durch das Dorf getra­gen wur­de. Das Gan­ze wur­de beglei­tet von min­des­tens fünf­zehn Pan­flö­ten-Fan­fa­ren-Grup­pen aus dem gan­zen Land – was für ein Cha­os und Lärm! Wer glaubt, die Latein­ame­ri­ka­ner hät­ten Rhyth­mus im Blut, wur­de hier eines Bes­se­ren belehrt. Dass die Pan­flö­tenar­ma­da auch am Oster­sonn­tag ab 8 Uhr mor­gens für meh­re­re Stun­den spie­len wür­de, wuss­ten wir da noch nicht.

Sams­tags woll­ten wir zu den Sali­nas Gran­des. Wir wuss­ten, dass wir mit dem Bus ins nächs­te Dorf Pur­ma­mar­ca muss­ten um dort einen Bus oder ein Taxi zu neh­men. Sprich, wir waren auf euro­päi­sche Wei­se völ­lig unvor­be­rei­tet und unter­schätz­ten mal wie­der die Wei­te die­ses Lan­des. In Pur­ma­mar­ca näm­lich erfuh­ren wir, dass der Bus zu den Sali­nas nur drei­mal am Tag fährt, es also leicht pas­sie­ren kann, dass man dort steht und nicht mehr zurück­kommt. Und auch erst im Taxi, das wir uns dann für 13 Euro pro Per­son gönn­ten, erzähl­te uns unser Taxi­fah­rer Hugo, dass wir jetzt 70km zu dem Salz­see fah­ren, dabei eine Höhe von 4170m über­que­ren und genug Was­ser sowie Son­nen­schutz mit­neh­men müss­ten. Wir waren natür­lich davon aus­ge­gan­gen, dass wir nur ein paar Minu­ten fah­ren wür­den und waren in Flip Flops und T‑Shirt gekom­men. Am Ende war das aber alles kein Pro­blem, wir hat­ten eine schö­ne drei­stün­di­ge Aus­flugs­fahrt im Taxi und auch die Höhe ste­cken wir mitt­ler­wei­le ganz gut weg.

Abends ver­an­stal­te­ten wir ein pro­fes­sio­nel­les Asa­do, mit meh­re­ren Kilo Fleisch, sowie Cho­ri­zo und Mor­cil­la (Wurst­ar­ten). Der Besit­zer des Hos­tels schau­te zwar etwas kri­tisch, weil nor­ma­ler­wei­se ein argen­ti­ni­scher Mann das Asa­do macht und er uns Euro­päe­rin­nen das wohl nicht zutrau­te, half uns aber dann und letz­ten Ende schmeck­te alles vor­züg­lich (Car­ly schwor, dass sie sich danach in einem Fleisch­ko­ma befand). Um Mit­ter­nacht führ­ten uns die Besit­zer in eine Bar, in der eine Cum­bia-Band auf­trat und wir den Til­ca­r­aern mal zeig­ten, wie Euro­päe­rin­nen ihre Hüf­ten bewe­gen können.

Der krö­nen­de Abschluss mei­nes Wochen­en­des war die Heim­fahrt nach Tucumán. Ich hat­te im Bus den Ste­ward bei jedem Halt schon immer inter­es­siert gefragt, in wel­cher Stadt wir uns gera­de befän­den. Als gegen Mit­ter­nacht alle schlie­fen und ich kurz aufs Klo muss­te, luden mich der Ste­ward und der Bus­fah­rer (zwei Her­ren aus Men­do­za älte­ren Semes­ters) ein, bei ihnen in der Fah­rer­ka­bi­ne ein biss­chen zu plau­dern. Ich – noch immer nicht ganz auf die abso­lut ehr­lich gemein­te argen­ti­ni­sche Gast­freund­schaft ein­ge­stellt – war zuerst etwas skep­tisch; das ist bei uns ja nun mal abso­lut nicht üblich und ich wuss­te nicht genau, ob die bei­den nicht irgend­wel­che Hin­ter­ge­dan­ken hat­ten. Da sie aber zwei wirk­lich rüh­ren­de älte­re Her­ren waren und ich annahm, dass den bei­den wahr­schein­lich ziem­lich lang­wei­lig war, ent­schied ich mich dann doch dafür und wur­de belohnt: ich ver­brach­te eine sehr lus­ti­ge Stun­de im Cock­pit und wur­de – selbst­re­dend – zum Mate­trin­ken ein­ge­la­den. Der Bus­fah­rer bot mir sogar an, dass ich mal fah­ren dürf­te (einen Dop­pel­de­cker­bus!!!), aber ich lehn­te aus ver­si­che­rungs­tech­ni­schen Grün­den ab. Typisch argen­ti­ni­sche Sorglosigkeit!

Das Wochen­en­de hat mich ange­stif­tet, noch viel mehr Rei­sen in die Umge­bung zu unter­neh­men. Nach den Erzäh­lun­gen der ande­ren Mädels ist Argen­ti­ni­en tat­säch­lich das sichers­te Land in Süd­ame­ri­ka und man kann als Frau (abge­se­hen von den unver­meid­li­chen Anmach­sprü­chen) rela­tiv unbe­hel­ligt allei­ne reisen.

Übri­gens: Lama­bur­ger schme­cken gut.

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Das tucu­ma­ni­sche Leben hin­ter­lässt sei­ne Spuren

Man gibt sich in Tucumán nicht mit einer Wochen­end­ak­ti­vi­tät zufrie­den. Am Wochen­en­de war ich also gleich auf vier ver­schie­de­nen Veranstaltungen:

  1. Am Frei­tag war ich mit einer Freun­din in einem Thea­ter­stück mei­ner Deutsch­nach­hil­fe­schü­le­rin. Das Stück hieß „Tur­bio” und es war angeb­lich ein post­dra­ma­ti­sches Stück. Zwar haben wir sprach­lich alles ver­stan­den, die Aus­sa­ge des Stü­ckes blieb uns aber lei­der verborgen.
    Cool war, dass es nur Platz für ca. 30 Zuschau­er gab. Wir saßen im Erd­ge­schoss eines Kul­tur­hau­ses und die Hand­lung fand um uns her­um statt, sodass man sich mit­ten im Gesche­hen befand.
    Ich muss mei­ne Schü­le­rin aber heu­te noch­mal fra­gen, wor­um es in dem Stück eigent­lich ging.
  2. Als ich danach – schon rela­tiv müde – nach Hau­se kam, hat­ten mei­ne Mit­be­woh­ner Besuch von zwei Freun­den. Weil ich nicht immer die Spiel­ver­der­be­rin sein woll­te, die dau­ernd früh ins Bett geht, habe ich mich halt noch dazu gesellt. Es wur­de dann auch noch ziem­lich lus­tig, bis 6 Uhr mor­gens haben wir Karao­ke gesun­gen und ein Brett­spiel namens Kampf der Geschlech­ter gespielt.
    Dabei wur­den den Jungs „typisch weib­li­che” Fra­gen gestellt, und den Mädels „typisch männ­li­che”. Die „typisch weib­li­chen” Fra­gen habe ich wei­test­ge­hend nicht ver­stan­den, da es dabei um Rezep­te, Schmin­ke und Kla­mot­ten (wie sexis­tisch!) ging und ich das nöti­ge Fach­vo­ka­bu­lar (noch) nicht habe. Zum Glück muss­te ich die­se Fra­gen aber nicht beantworten.
    Die „typisch männ­li­chen” Fra­gen hin­ge­gen waren Fra­gen zum All­ge­mein­wis­sen, also Geschich­te, Fil­me, Lite­ra­tur und Kunst (wie sexis­tisch!). Es wur­den Din­ge gefragt, die man bei uns schon in der Unter­stu­fe lernt, also zum Bei­spiel was ein Fres­ko ist und wer die Haupt­rol­le in Conan, der Bar­bar spielt. So etwas lernt man hier aller­dings wohl nicht, und so konn­te ich mit Abstand die meis­ten Fra­gen beant­wor­ten, was mir die Bewun­de­rung der Mit­spie­ler ein­brach­te. Dabei waren es wirk­lich kei­ne schwie­ri­gen Fragen!
  3. Am Sams­tag war wie­der Deutsch­stamm­tisch, bei dem sich alle Tucu­ma­nos, die Deutsch spre­chen (also Mut­ter­sprach­ler und Deutsch­ler­ner), tref­fen. Es war sehr schön, da die bei­den Kul­tu­ren sich ver­misch­ten; man unter­hielt sich über deut­sche sowie über argen­ti­ni­sche Gege­ben­hei­ten und ver­glich. Dazu gab es ein Asado.
    Um Mit­ter­nacht hat­te eine Par­ty­gäs­tin Geburts­tag, also wur­de ich (war­um eigent­lich ich?) gebe­ten, die Grup­pe zu einem Geburts­tags­lied („Heu­te kann es reg­nen, stür­men oder schnei­en,…”) zu dirigieren.
    Das ers­te Lied funk­tio­nier­te noch eini­ger­ma­ßen, aber da die Argen­ti­ni­er ja alle unter ADS lei­den, ließ die Auf­merk­sam­keit danach nach und der fol­gen­de Kanon („Viel Glück und viel Segen”) ging mehr oder weni­ger in die Hose. Das tat der Begeis­te­rung aber kei­nen Abbruch und das Geburts­tags­kind ver­drück­te meh­re­re Tränchen.
  4. Da wir auf dem Stamm­tisch haupt­säch­lich jun­ge Leu­te waren, wur­de beschlos­sen, danach noch gemein­sam in ein boli­che (eine Dis­ko) zu gehen. Lei­der ver­teil­ten sich dann dort alle ziem­lich, was sehr scha­de war. Auch waren die Tanz­flä­chen nicht abge­trennt, sodass man  an den Schnitt­stel­len, an denen man sich eini­ger­ma­ßen ver­stän­di­gen konn­te, von meh­re­ren Musik­sti­len laut beschallt wurde.
    Mei­ne ers­te Boli­che-Erfah­rung wird damit auch hof­fent­lich mei­ne letz­te blei­ben. Um vier Uhr – denn da machen die Boli­ches zu – sind wir dann net­ter­wei­se vom Deutsch­leh­rer Die­go nach Hau­se gefah­ren worden.

Und das Wochen­en­de war wohl etwas zu viel, denn seit ges­tern krän­kel ich ein biss­chen mit Hals­weh und Schnupfen.