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Die letz­ten Male

Weil nun die letz­te Woche in Tucumán anbricht, mache ich somit auch alles zum let­zen Mal.

Zum letz­ten Mal Sprech­stun­de haben.
Zum letz­ten Mal das Semi­nar über die deut­sche Spra­che und Kul­tur halten.
Zum letz­ten Mal Nach­hil­fe geben.
Zum letz­ten Mal Bus fahren.
Zum letz­ten Mal Wäsche waschen.
Zum letz­ten Mal in den Super­markt gehen.
Zum letz­ten Mal ganz vie­le lie­be Leu­te sehen.

Und am Sams­tag war für mich das letz­te Mal Stamm­tisch. Zum Schluss (was eigent­lich nur der Schluss in jenem Lokal war, denn wir zogen danach noch wei­ter) saßen wir zu viert, wein­trin­kend und rau­chend, und die ande­ren drei anwe­sen­den Argen­ti­ni­er unter­hiel­ten sich über die deut­sche Men­ta­li­tät. Sie stell­ten fest, dass der Unter­schied zwi­schen der deut­schen und der argen­ti­ni­schen Men­ta­li­tät fol­gen­der ist: Hier ist man immer schnell Freund mit jeman­dem, die per­sön­li­che Distanz ist eher gering. Die drei – die alle schon ein­mal in Deutsch­land waren – waren geschlos­sen der Mei­nung, dass es zwar ewig dau­ert, bis man an die Deut­schen her­an­kommt. Hat man aber erst Freund­schafts­ban­de geknüpft, wer­den die­se wahr­schein­lich nie wie­der gelöst.

Mir ist schon in frü­he­ren Gesprä­chen mit Leu­ten aus ande­ren Län­dern die­ser Umstand berich­tet wor­den, aber trotz­dem hat es mich doch am Sams­tag ein biss­chen gerührt.

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Wein, Son­ne und Ber­ge in Cafayate

Nach­dem wir in Tucumán noch meh­re­re Muse­en mit unse­rer Anwe­sen­heit beglückt haben (Museo de Arte Sacral, Museo His­tóri­co, Casa de la Inde­pen­den­cia) aber uns bei einem wegen Bau­fäl­lig­keit des Gebäu­des emp­foh­len wur­de, lie­ber nicht rein­zu­ge­hen, sind wir am Frei­tag ab nach Cafa­ya­te gedüst. Auf der Bus­fahrt sind an den unmög­lichs­ten Stel­len Leu­te ein- und wie­der aus­ge­stie­gen und haben dazwi­schen mit dem Bus­fah­rer philosophiert.

Cafa­ya­te ist ein klei­nes Städt­chen im Nor­den, idyl­lisch in den Val­les Cal­cha­quí­es gele­gen, und neben dem obli­ga­to­ri­schen Kunst­hand­werk gibt es vie­le Bode­gas, denn Cafa­ya­te ist eines der  Wein­an­bau­ge­bie­te Argen­ti­ni­ens. Wie wir ges­tern im Muse­um für Wein­an­bau erfah­ren haben, liegt das am tro­cke­nen Wet­ter (es reg­net nur 20 Tage im Jahr), am san­di­gen Boden und an den Tem­pe­ra­tur­un­ter­schie­den von bis zu 20°C an einem Tag! Die Trau­be Mal­bec, die aus Euro­pa impor­tiert wur­de, dort aber aus Kli­ma­grün­den nicht mehr ange­baut wird, gedeiht hier optimal.

In den Genuss der­sel­ben sind wir auch schon mehr­mals täg­lich gekom­men, weil wir schon in der ein oder ande­ren Peña waren: Das sind typi­sche Restau­rants, in denen folk­lo­ri­sche Live-Acts auf­tre­ten. Man unter­hält sich dort also weni­ger, son­dern lauscht der Musik, singt und klatscht mit und wenn man ein älte­res argen­ti­ni­sches Ehe­paar ist, kann man auch mal das Tanz­bein schwin­gen zur Unter­hal­tung aller Anwesenden.

Abge­se­hen von Wein, Eis und her­um­zie­hen­den Hun­de­gangs ist Cafa­ya­te zwar eher ver­schla­fen, aber das Land­le­ben im Nor­den gefällt mir ein­fach unge­mein gut (sie­he Bericht zu Til­ca­ra). Die Leu­te sind sehr freund­lich und das tro­cke­ne und son­ni­ge Wet­ter ist eine schö­ne Abwechs­lung zur Feuch­ti­ge­keit Tucumáns; am Frei­tag habe ich gese­hen, dass mir in mei­nem Zim­mer dort mei­ne Leder­ta­sche und mei­ne Leder­san­da­len geschim­melt sind! Ich hof­fe, es gibt nicht noch mehr unan­ge­neh­me Schim­mel­über­ra­schun­gen, wenn ich mei­nen Kof­fer wie­der packe.

Heu­te möch­ten wir mit dem Taxi einen Aus­flug zu den Rui­nen in Quil­mes machen, mal schau­en, ob es klappt. Man darf sich hier ja auf nichts verlassen.

Fort­set­zung des Zwi­schen­stands der Things-to-do-in-Argen­ti­na-Lis­te der beiden:

  • eine Peña besuchen
  • einen Alpa­ka­pul­li mit Lama­mo­ti­ven kaufen
  • Mate­zu­be­hör kaufen
  • sich ärgern, dass in der Sies­ta alle Läden geschlos­sen sind
  • Sies­ta machen
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Aus­rei­se­rin

Die Rei­se aus­ge­rech­net nach Sant­ia­go de Chi­le hat­te meh­re­re Vor­tei­le: Ich konn­te mein 90-Tage-Tou­ris­ten­vi­sum für Argen­ti­ni­en erneu­ern und lern­te die Fami­lie eines Freun­des ken­nen, denn bei ihr ver­brach­te ich die paar Tage in der 5‑Mil­lio­nen-Haupt­stadt.

Schon die Hin­fahrt war mal wie­der ein beson­de­res Erleb­nis. Auf der Land­kar­te scheint die Stre­cke gar nicht so lang, aber man fährt zunächst ein­mal von Tucumán nach Men­do­za – 12 Stun­den im Nacht­bus – und danach sind es von Men­do­za nach Sant­ia­go immer noch 6 Stun­den quer über die Anden.

Für ein paar Euren mehr habe ich mich in die Ers­te Klas­se des Nach­bus­ses ein­ge­bucht. Wer sich die First Class im Flug­zeug nicht leis­ten kann, soll­te das auch mal aus­pro­bie­ren, denn schlech­ter als im Flie­ger war es mit Sicher­heit nicht. Wir wur­den von oben bis unten betü­delt, man zeig­te wie­der Fil­me, zum Abend­essen gab es ein Drei-Gän­ge-Menü mit Sekt und Wein. Und auf den best­ge­pols­ter­ten Sit­zen der Welt, die sich fast waag­recht aus­klap­pen las­sen, schläft es sich sogar ver­hält­nis­mä­ßig angenehm.

Fährt man von Men­do­za nach Chi­le, muss man auf 2200 m Höhe am Grenz­über­gang „Los Libert­ado­res” vor­bei. Das ist einer der unan­ge­nehms­ten Arbeits­or­te für Grenz­be­am­te, und auf­grund der Höhe, der Käl­te und der Abge­schie­den­heit sind sie dort immer nur einen Monat sta­tio­niert. Bei der Ein­rei­se nach Chi­le müs­sen übri­gens stren­ge Ein­fuhr­be­stim­mun­gen beach­tet wer­den, denn es gibt dort kei­ne Frucht­flie­gen, und das soll dank Ein­fuhr­ver­bot von orga­ni­schen Mate­ria­li­en (Äpfel, Tee, Was­ser, Holz, usw.) auch so bleiben.

Der Name „Los Libert­ado­res” (Die Befrei­er) kommt von den Män­nern – dar­un­ter Gene­ral San Mar­tín – die Anfang des 19. Jahr­hun­derts den sel­ben Weg über die Anden mar­schiert sind, um in den Schlach­ten von Chaca­bu­co und Maipú die Unab­hän­gig­keit Chi­les und Argen­ti­ni­ens zu erkämp­fen. An die­sem Wis­sen kommt hier nie­mand vor­bei, denn in jeder Stadt sind die Stra­ßen gleich benannt, sodass es immer die Cal­les San Mar­tín, Batal­la de Chaca­bu­co und Maipú gibt; qua­si die Bahn­hofs­stra­ße Südamerikas.

In Sant­ia­go de Chi­le muss man dann Glück haben, dass man einen Tag ohne Smog erwischt. Das hat­te ich natür­lich nicht, als wir auf den Cer­ro San Cris­tó­bal fuh­ren, und so blieb mir die spek­ta­ku­lä­re Sicht auf die Andenket­te ver­wehrt. Dafür gab es als Kom­pen­sa­ti­on aber auf dem Gip­fel mal wie­der – welch Wun­der – eine vir­gen zu bestau­nen. Ins Zen­trum konn­te ich an die­sem Tag nicht, denn der 21. Mai Sant­ia­gos ist der 1. Mai Ber­lins; wäh­rend der Prä­si­dent sei­nen Jah­res­be­richt vor­trug, gab es in der Innen­stadt gewalt­tä­ti­ge Pro­tes­te und bren­nen­de Autos.

Sonn­tags nahm mich die Fami­lie mit auf einen Aus­flug ans Meer. Es war wirk­lich schön, nach all den Ber­gen auch mal wie­der Was­ser zu sehen. Viña del Mar und Val­pa­raí­so sind Rück­zugs­or­te an der Pazi­fik­küs­te, in die sich die San­tia­gu­i­nos vor dem Smog flüch­ten. Ers­te­rem fehlt als geho­be­ner Tou­ris­ten­ort aller­dings der Charme, den der Künst­ler­ort Val­pa­raí­so mit sei­nen tau­send Hügeln und sei­nen in allen Far­ben der Welt gestri­che­nen Häu­sern aufweist.

Am Mon­tag hat­te ich wie­der kein Glück, da auch in Chi­le die Muse­en mon­tags zu sind und ich so im Zen­trum nur ein beschränk­tes Ange­bot an Zer­streu­ung fand. Trotz­dem konn­te ich ein biss­chen umher­lau­fen und einen Ein­druck von Sant­ia­go bekommen.

Über­haupt ist Chi­le – oder wenigs­tens Sant­ia­go – eine Mischung aus Deutsch­land und den USA. Wer ger­ne nach Süd­ame­ri­ka rei­sen möch­te, sich aber nicht so rich­tig traut, soll­te dort­hin fah­ren. Die Ähn­lich­keit fällt in vie­len Details auf: Den glei­chen Stra­ßen­schil­dern (Auto­bahn­schil­der sind blau), der ähn­li­chen Men­ta­li­tät (es wird um 19 Uhr geges­sen), der gut aus­ge­bau­ten Infra­struk­tur und dem Vor­han­den­sein von Fahr­plä­nen, den hohen Prei­sen sowie der All­ge­gen­wart von eng­li­schen Begrif­fen im Bild der Stadt. Das ist wahr­schein­lich nicht in ganz Chi­le so, aber Sant­ia­go ist auf jeden Fall eine Abwechs­lung zum Durch­ein­an­der Argen­ti­ni­ens. Im Ver­gleich zu Sant­ia­go ist Argen­ti­ni­en wirk­lich ein Drit­te-Welt-Land. Was aber auch dort vor­herrsch­te, war die Bewun­de­rung der euro­päi­schen und deut­schen Kul­tur und die Bli­cke und Kom­pli­men­te, die man als blon­de Frau bekommt.

Ins­ge­samt war es eine schö­ne Rei­se, die Fami­lie des Freun­des hat mich auf­ge­nom­men wie ein Fami­li­en­mit­glied und bestä­tig­te das latein­ame­ri­ka­ni­sche Kli­schee der unein­ge­schränk­ten Gast­freund­schaft­lich­keit. Zum Abschied bekam ich zwei Tafeln Scho­ko­la­de „Sah­ne-Nuss” (im Ernst, das steht da drauf) und eine Fla­sche Pis­co, der Natio­nal­schnaps der Chi­le­nen, geschenkt. Als wäre mei­ne Beher­ber­gung nicht schon Geschenk genug gewesen!

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Ich bin dann mal schon wie­der weg

…und zwar in Sant­ia­go de Chi­le. Tschüs­se­le, bis Mittwoch!

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Sal­ta

Ich sit­ze also im Bus nach Sal­ta. Um 18 Uhr gehts los, vier­ein­halb Stun­den spä­ter ist man schon da. Auf der Fahrt besticht wie­der die argen­ti­ni­sche Logik: Zuerst, so um 18.30 Uhr, wird der Film Prin­ce of Per­sia gezeigt. Jaaa, Ver­schwö­run­gen, Dol­che, krach­bumm­bäng. Dann, als die Klei­nen end­lich ein­ge­schla­fen sind, gegen 21 Uhr, kommt end­lich das Erwach­se­nen­pro­gramm: Yogi­bär – Der Film.

Kurz vor Ankunft hal­ten wir plötz­lich an. Sode­le, alle die nach Sal­ta-Stadt wol­len müs­sen jetzt umstei­gen. Typisch, man hat uns vor­her nicht infor­miert. Es wol­len aber nur fünf Leu­te nach Sal­ta-Stadt, und so machen wir es uns in der Ers­ten Klas­se in den bequems­ten Sit­zen der Welt gemütlich.

Im Hos­tel wer­de ich dann erst­mal von dem Mädel, das die Nacht­schicht hat, ihrem schwu­len bes­ten Freund und einer Gäs­tin zum Mate­trin­ken ein­ge­la­den. Eigent­lich woll­te ich früh ins Bett, aber es wird schon wie­der drei Uhr morgens.

Trotz­dem ste­he ich frei­tags früh auf und star­te mein Hard­core­kul­tur­pro­gramm. Zuerst mal ins Pajcha, einem pri­va­ten Muse­um einer lei­den­schaft­li­chen Anthro­po­lo­gin, das vie­le Aus­stel­lungs­stü­cke aus der kul­tu­rel­len Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart der indi­ge­nen Bevöl­ke­rung beher­bergt. Da ich die ein­zi­ge Besu­che­rin bin, bekom­me ich eine Pri­vat­füh­rung von Die­go, dem jah­re­lan­gen Beglei­ter der Kura­to­rin. Ein knuf­fi­ger Typ, der mich mit Sal­ven von Sug­ges­tiv­fra­gen und Wis­sens­tests befeu­ert. Das war der ers­te und bes­te Muse­ums­in­di­vi­du­al­be­such, den ich je gemacht habe. Das Muse­um wäre aber auch mit wei­te­ren Besu­chern sehr sehens­wert gewe­sen. Wuss­tet ihr übri­gens, dass es nur in Süd­ame­ri­ka Kir­chen mit Engels­dar­stel­lun­gen gibt, in denen die Engel Schuss­waf­fen tra­gen? Da wäre jeder grin­go neidisch.

Danach gehts wei­ter zum tele­fé­ri­co, der Seil­bahn, auf den Cer­ro de San Ber­nar­do, der sich über Sal­ta erhebt. Auch hier beschert mir mein Anti-Sies­ta-Rhyth­mus wie­der Erfolg, denn ich habe eine gan­ze Gon­del für mich allei­ne, und oben auf dem Berg ist auch nicht viel los.

Wie­der am Boden beloh­ne ich mich zuerst mit einem Bum­mel über den Krams­markt, wo ich mir zu einem Spott­preis die – dank der schwin­den­den Tem­pe­ra­tu­ren – lan­ge fäl­li­gen (und dabei auch noch sehr schö­nen) Haus­schu­he kau­fe. Danach, weil ich ja schon­mal in Shop­pinglau­ne bin, fah­re ich mit dem öffent­li­chen Bus zum Mer­ca­do Artes­a­nal. Dort tref­fe ich aller­dings die Hor­den argen­ti­ni­scher Tou­ris­ten und lasst euch gesagt sein, auch hier gibt es Kaf­fee­fahr­ten, auf denen Ömchen in Mas­sen­ab­fer­ti­gungs­tech­nik ver­kös­tigt und zum Kauf ani­miert werden.

Zurück in der Innen­stadt ser­viert mir das Glück mal wie­der eine Rari­tät. Ich schaue mir gera­de die rosa­far­be­ne Kathe­dra­le an, da läu­ten zwei Glöck­ner die Fest­glo­cken, um die Gläu­bi­gen zur Mes­se zu rufen. Es ist näm­lich Frei­tag der 13. und vor sound­so­vie­len hun­dert Jah­ren hat die haus­ei­ge­ne vír­gen irgend­ein Wun­der voll­bracht, und des­halb gibt es eine beson­ders fest­li­che Mes­se (mein ers­ter katho­li­scher Got­tes­dienst, nach­dem sich der damals in Lon­don besuch­te, den ich zunächst irr­tüm­lich für katho­lisch hielt, als angli­ka­ni­scher Got­tes­dienst her­aus­ge­stellt hat­te). Ich gehe aber schon nach einer Stun­de dank der unbe­que­men Bän­ke, mei­nes Dau­er­be­kreu­zi­gungs­un­mu­tes, und weil ich noch in den Super­markt will.

Auch nachts wer­de ich von drei Men­do­za­nern mitt­le­ren Alters im Hos­tel ein­ge­la­den, auf ein paar Bier und poli­ti­sche Gesprä­che. Ich kann mein Erstau­nen über die Gast­freund­schaft der Men­schen immer noch nicht in Wor­te fassen.

Am nächs­ten Tag – es ist mitt­ler­wei­le Sams­tag – mache ich mich mit dem Bus auf in die Queb­ra­da de San Loren­zo, ein Natur­schutz­ge­biet. Der Bus­fah­rer nimmt mir gleich mal alle Hoff­nun­gen auf vor­ge­ge­be­ne Wan­der­we­ge als er sagt, dass man „halt ein­fach so ein biss­chen rum­lau­fen kann”. Es gibt dann aber doch eine pri­vat ver­wal­te­te Wan­der­rou­te, die für mei­ne Ver­hält­nis­se auch opti­mal ist: drei Stun­den wan­dern, berg­auf berg­ab, aber nicht zu anstren­gend, man schwitzt nur ein klei­nes bisschen.

Einen extra Abzweig, sozu­sa­gen der Wurm­fort­satz des eigent­li­chen Wan­der­we­ges, der einen Berg hoch zu einem Aus­sichts­punkt führt und 45 Minu­ten dau­ern soll, gebe ich mir natür­lich auch noch. Kurz vor Ankunft auf der Aus­sichts­platt­form sehe ich im Gebüsch ein klei­nes Schwänz­chen wedeln. Wie süß, ich lie­be Ponies. Als ich aber näher­kom­me, sehe ich, dass das Schwänz­chen zu einem Kälb­chen gehört und vor­ne noch die Mut­ter mit dran­hängt, deren spit­ze Hör­ner im Son­nen­licht glit­zern und die mich indis­tin­gu­iert anblickt.

Ver­steht mich nicht falsch, ich habe kei­ne Angst vor Kühen. Aber ihre Hör­ner waren wirk­lich sehr spitz, und dann muss man beden­ken, dass Mut­ter­tie­re ja sehr aggres­siv wer­den kön­nen, und außer­dem, wo ist denn bit­te der Vater, der kann ja auch nicht weit sein (obwohl mir jetzt gera­de ein­fällt, dass er wohl schon längst im Magen eines Argen­ti­ni­ers gelan­det sein könn­te). Ich dre­he also, kurz vor dem Ziel, um. Die Aus­sicht ist auch hier schon sehr gut.

Abends dann noch­mal ins Kino, zwei Fil­me für zusam­men € 5 ange­schaut (Revo­lu­ción und Thor) und dann ins Bett…

…damit ich sonn­tags den Höhe­punkt eines jeden Sal­ta­auf­ent­hal­tes erle­ben kann: das MAAM, das Museo de Arqueo­lo­gía de Alta Mon­ta­ña. Hier wer­den die drei Kin­der­mu­mi­en aus­ge­stellt, die vor etwa zehn Jah­ren auf einem knapp 6000 m hohen Vul­kan in der Nähe gefun­den wur­den. Die Kin­der waren Teil eines Inka­ri­tu­als vor 500 Jah­ren, für das die bei­den jün­ge­ren etwa 6‑jährigen Kin­der zusam­men mit ande­ren Kin­dern aus adli­gen Inka­fa­mi­li­en den beschwer­li­chen Weg zur Haupt­stadt der Inkas in Peru machen muss­ten und dort ver­hei­ra­tet wur­den. Nach ihrer Rück­kehr im Dorf beka­men sie Schnaps zu trin­ken, der sie ins Koma ver­setz­te, wor­auf­hin sie auf dem Berg, in klei­nen Grä­bern zusam­men mit Opfer­ga­ben und einer jung­fräu­li­chen 15-jäh­ri­gen Baby­sit­te­rin, geop­fert wur­den. Die­ses Opfer bedeu­te­te höchs­te Ehre für die Aus­er­wähl­ten, wes­halb die eigent­li­che Grau­sam­keit her­me­neu­tisch betrach­tet wer­den soll­te. Das Beson­de­re an den Mumi­en ist, dass sie durch die stren­gen kli­ma­ti­schen Bedin­gun­gen sehr gut erhal­ten sind, und man Haa­re, Klei­dung und Gesichts­aus­druck in vol­lem Detail bewun­dern kann. Wer sich traut, kann hier ein Foto der drei momi­as anschauen.

Bevor ich am Sonn­tag wie­der zurück nach Tucumán fah­re, schaue ich noch­mal im Museo de Arte Con­tem­po­rá­neo rein und stel­le fest, dass Kunst nicht so meins ist. Ich ver­su­che es trotz­dem immer wie­der, doch die Welt scheint etwas dage­gen zu haben: Ich sit­ze gera­de andäch­tig vor der Wand­pro­jek­ti­on eines künst­le­risch wert­vol­len Bil­des und ver­su­che, die Mes­sa­ge des Künst­lers in mich auf­zu­neh­men. Links und rechts auf zwei Fern­se­hern ähn­li­che Bil­der, also ein moder­nes Tri­pty­chon, wie ich mir stolz zusam­men­rei­me. Das moder­ne Tri­pty­chon ist aber nicht von Dau­er, denn der Muse­ums­wär­ter kommt her­ein, schal­tet auf Fuß­ball um und ver­wan­delt es so in ein Dipty­chon. Zwei Clubs aus Bue­nos Aires spie­len gegen­ein­an­der, ein Klas­si­ker. Es steht 2:0.