Es ist soweit, ich habe zur Zeit meinen ersten Durchhänger. Abgesehen davon, dass ich mich nicht in gewünschtem Maße auf Spanisch artikulieren kann (das dauert wohl noch 1–2 Monate), nerven mich grad einige Dinge hier.
Zunächst ist alles ziemlich larifari. Wenn man etwas mündlich ausmacht, dann heißt das noch lange nicht, dass man eine feste Verabredung hat. Außerdem funktioniert auch nichts auf Anhieb, bei allem muss man nachhaken und mehrmals hingehen.
Außerdem scheinen die Argentinier durch die Bank weg ADS zu haben. Die Leute sind sehr selbstbewusst, was eigentlich angenehm ist. Das zeichnet sich aber auch in kommunikativen Situationen dadurch aus, dass alle immer durcheinander reden und keiner sich auf den anderen konzentriert oder zuhört.
Zusätzlich habe ich Schwierigkeiten mit den Essgewohnheiten, und das auf eigentlich absurde Art und Weise. Das Essen ist hier nämlich im Allgemeinen sehr gut. Empanadas, Locro, Humitas, Tamale, Dulce de leche, Fleisch… Ich habe noch nichts gegessen, was mir nicht geschmeckt hat. Allerdings wird hier nicht nur zweimal am Tag warm gegessen, was ich für absolut unnötig halte, sondern abends isst man erst um 22 Uhr, manchmal auch später.
Diese Tatsache ist erst zum Problem geworden, seit ich in einer argentinischen WG wohne. Denn die beiden sind sehr lieb und wollen immer für mich mitkochen, allerdings zu total unmöglichen Zeiten. Meistens hab ich schon vorher Hunger und will dann aber nicht kochen, weil es ja egoistisch wäre, wenn ich nur für mich koche. Also esse ich dann nur ein Brot, was sie für äußerste Mangelernährung halten.
Auch geht die Nettheit allzu oft ins Extrem: Ich habe von Anfang an kategorisch Nachtische und Süßgetränke abgelehnt und gesagt, dass ich das nicht so gerne konsumiere (was eine glatte Lüge war). Doch wenn man einmal Gefallen an etwas ausgedrückt hat, bekommt man es ständig und in Übermaß vorgesetzt. Und wenn man es dann ablehnt, ist das unhöflich.
Generell ist es hier nicht so sauber und auch die Hemmschwelle ist ein bisschen höher als bei uns. Beispielsweise sollte man sich immer Klopapier auf öffentliche Toiletten mitnehmen. Wer also eine südamerikanische Putzfrau hat, sollte sich über ihre unzufriedenstellende Reinigung lieber nicht wundern – sondern es hinnehmen.
Dass der Kulturschock, den ich zur Zeit habe, eintreffen würde, war mir schon vorher klar. Jetzt muss ich es nur so schnell wie möglich schaffen, darüber hinweg zu kommen und die guten Seiten zu sehen, die gibt es nämlich zuhauf. Zum Beispiel sitze ich im Moment in einem Café mit WiFi, ich habe nichts bestellt und die Bedienungen nerven mich nicht mit andauerndem Nachfragen, sondern sind auch noch freundlich zu mir. Das ist hier halt so.
Auch an der Supermarktkasse muss man sich nicht mit dem Tütenpacken abhetzen, sondern sollte es im Gegenteil lieber nicht eilig haben, weil die KassiererInnen megalangsam sind. Und mit megalangsam meine ich: auch wenn nur eine Person mit vier Sächelchen vor einem an der Kasse ist, kann es bis zu 10 Minuten (!) dauern. Da ich es allerdings selten eilig habe, ist das okay.
Macht euch also keine Sorgen, meine Genervtheit ist ganz normal, und wenn ich wieder zurückkomme, werde ich mich nur noch an die guten Dinge erinnern.
P.S.: Ist es zu glauben, dass meine Mitbewohner sowohl in Butter gebräunte Semmelbrösel als auch gebratene Würste verschmähen, ja sogar eklig finden????