Neulich stießen mir einige Formulierungen auf der Homepage von FlixBus ganz übel auf. Es ging dabei eigentlich darum, dafür zu werben wie toll und komfortabel die Busse von FlixBus doch sind. Das schlug sich in Formulierungen wie den folgenden nieder:
„In Indien nimmt man es generell nicht so genau mit dem Thema Verkehrssicherheit. Auch die Fahrplanauskunft für die Fernbusse und der Service sind hier keineswegs dem westlichen Standard angepasst. Wer schon mal in Indien war und das Vergnügen hatte mit Bussen oder dem Zug zu fahren, der weiß, was Überfüllung wirklich bedeutet bzw. dass ein Bus, welcher für 20 Leute ausgelegt ist, schon mal locker 60 bis 70 Personen mitnehmen kann. Vielen sind auch die Bilder bekannt, auf denen Hunderte von Reisenden auf dem Dach der Bahn oder auf dem Fernbus mitfahren, weil der Zug selbst im wahrsten Sinne des Wortes „rappelvoll” ist. Entspannt ankommen ist in solchen Ländern dann eher sekundär.“
„Aber auch in Europa finden sich Busvarianten wieder, bei denen man in erster Linie eher an ein Museum denkt als an ein sicheres, bequemes und vor allem komfortables Verkehrsmittel. Je nach Land sind die Zulassungsbedingungen für Busse (ganz gleich welcher Art) doch recht verschieden. Auch die Maximalgrenze an Personen im Bus wird gerade in südlichen Ländern anders gesetzt als in Deutschland. Gelegentlich drückt die Polizei bei solchen Bus Linien gerne mal ein Auge zu. Im FlixBus gibt es sowas nicht.“
„Überfüllte Sitzplätze und ähnliche Zustände finden sich hier zu Lande wiederum nicht. Die hiesigen Sicherheitsbestimmungen werden sehr streng vonTÜV und Polizei kontrolliert. So kann sich der Reisende in Deutschland sicher sein, dass kein Fahrgast in Fernbussen stehen muss bzw. das Gepäck sicher verstaut ist und nicht vorher schon einen „Abflug” im wahrsten Sinne des Wortes macht. Auch bieten die Busse in Deutschland jenen Komfort, den man im Ausland nur sehr selten wiederfindet.“
Von diesen diskriminierenden Aussagen entsetzt schrieb ich sofort eine Mail an FlixBus:
„Sehr geehrte Damen und Herren von FlixBus,
nachdem ich mit anderen Fernbuslinien bereits gute Erfahrungen gemacht habe, sah ich mich heute auch auf Ihrer Seite um.
Dabei habe ich […] jedoch erschreckende Statements entdeckt, auf die ich Sie gerne hinweisen möchte.
Das Statement, dass man es in Indien „generell nicht so genau [nehme] mit dem Thema Verkehrssicherheit“, ist eine unbedachte Verallgemeinerung, die von westlichem Überlegenheitsdenken und von der unreflektierten Reproduktion kultureller Vorurteile zeugt.
Dies wird noch deutlicher im folgenden Satz, in dem von nicht erreichten westlichen Standards die Rede ist. Dieser Eindruck verstärkt sich während der folgenden Ausführungen und dem
abschließenden Abstempeln der von Ihnen gering geschätzten Länder mit dem Label „in solchen Ländern“.
Ihr diskriminierender Rundumschlag betrifft schließlich auch noch Europa selbst, das nach Ihren Angaben ja leider durch mangelnde Sicherheit und korrupte Behörden in südlichen Ländern gekennzeichnet ist, die somit nicht mit dem mitteleuropäischen Standard mithalten können.
Ihre Argumentationskette lässt am Ende keinen Zweifel daran, dass schließlich nur Deutschland das Nonplusultra an Sicherheit bietet, da dies von TÜV und Polizei kontrolliert wird. Hier wird auch dem Dümmsten klar, dass es im Ausland von Dieben wimmelt, die mit dem Gepäck den „Abflug“ machen. Ganz zu schweigen von jenem „Komfort, den man im Ausland nur sehr selten wiederfindet“.
Ich bitte Sie zunächst zu überdenken,
- ob es möglicherweise noch andere Denkweisen als die westliche geben könnte,
- wie sehr Sie mit Ihren Formulierungen andere Ethnien diskriminieren, indem Sie diese ausgrenzen um sie dadurch minderwertig erscheinen zu lassen,
- ob Sie es wirklich nötig haben, sich selbst hervorzutun, indem Sie gedankenlos Andere schlechtmachen?
Im Anschluss sollten Sie m.E.n. zur Erkenntnis kommen, die Inhalte eines an Kundschaft orientierten Services in Zukunft vorsichtiger zu formulieren. Statistisch gesehen besteht diese Kundschaft nämlich nicht zu 100 % aus denjenigen, die von Ihren in Worte gegossenen
Stereotypen verschont bleiben.
Ich bitte Sie außerdem um eine schriftliche Stellungnahme.
Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen,
[annalphabetin]“
Zugegeben, ich wollte aufrütteln. Vier Tage später erhielt ich die (trotzdem recht nette) folgende Antwort:
„Hallo [annalphabetin],
unsere Kollegen vom Kundenservice hatten mir Deine Nachricht weitergeleitet.
Vielen Dank für Dein kritisches Feedback. Einige unserer Seiten für den Online-Auftritt wurden von speziellen Content-Agenturen verfasst und repräsentieren nicht die Meinung von FlixBus.
Keinesfalls beabsichtigen wir durch die von Dir angesprochen Wortwahl andere Ethnien, Länder oder Kulturen zu diskriminieren oder möchten die deutschen Standards als „Nonplusultra“ darstellen.
Wir danken Dir für Deinen Hinweis. Die von Dir geschilderten Passagen werden schnellstmöglich überarbeitet.
Falls Du noch Fragen hast, stehe ich Dir gerne jederzeit zur Verfügung.
Herzliche Grüße,
[Ansprechpartnerin]“
Zunächst mal ist es ja lobenswert, dass sich tatsächlich drum gekümmert und die Sache nicht ausgesessen wird – auch wenn ich es komisch finde, dass ich auf meine formale Anfrage hin geduzt werde. Bezeichnend finde ich allerdings die Einstellung, die ich mal als Pontius-Pilatus-Syndrom bezeichnen möchte, das sich meiner Meinung nach in Deutschland breitmacht. Eine Content-Agentur zu beauftragen, ohne die Contents hinterher nochmal zu prüfen, erinnert mich stark an die „Ich wasche meine Hände in Unschuld“-Sache. Das ist ja fast so, wie wenn man ein Konto in der Schweiz eröffnet und sich dann wundert, wenn der deutsche Fiskus anklopft. Oder wie wenn man eine Doktorarbeit schreibt und sich dann wundert, wenn man zum Star diverser Plag-Wikis avanviert. Oder wie wenn man der USA alle Türen öffnet und sich dann wundert, wenn diese auch die Hintertürchen benutzt. Oder wie wenn…
Nun ja. Nur wenige Tage später sind die Contents auf FlixBus geändert worden und haben jetzt einen neutraleren Inhalt. Beispielweise ist jener „Komfort, den man im Ausland nur sehr selten wiederfindet“ jetzt jener „Komfort, den man sich auch für so manche Mitfahrgelegenheit wünschen würde“. Und Indien und die südlichen Länder Europas kommen auch unbescholten davon.
Manchmal hilft halt echt nur beschweren.