Koryphäe – Chorführer in der griechischen Tragödie
Gestern abend wurde die europäische Fernsehwelt erneut mit dem Dinosaurier der Musikwettbewerbe beglückt: dem Grandprix de la Chanson de l’Eurovision. Oder wie er auf Neudeutsch heißt:
der Eurovision Song Contest!
Das ist auch so ne Sache: Was ist eigentlich mit der Vorgabe passiert, dass ein gewisser Prozentsatz des dargebotenen Gesangsstückes in der eigenen Landessprache gesungen werden muss? Ein englisches Lied ist ohne Frage viel wohlklinger als ukrainische Gutturalakrobatik oder französisches Gegrunze, aber versteht eigentlich auch nur die Hälfte der Sänger, von was sie da singen?
Wie allgemein bekannt ist, ist die oben genannte Veranstaltung mittlerweile zu einer osteuropäischen Sache geworden. Was nicht schlimm wäre, denn darum ging es schon immer: wie bei einer Klassensprecherwahl stimmt man für seine beste Freundin oder den süßen Typen mit den blonden Locken. So schieben sich die skandinavischen Länder traditionell gegenseitig die Punkte zu und wir schaffen die 2 Punkte-Hürde mit Hilfe unserer Freunde aus der Schweiz. Leider war Österreich dieses Jahr nicht dabei, sonst hätten wir vielleicht noch 2 Punkte mehr bekommen, die uns spektakulär auf den vorletzten Platz katapultiert hätten. Doch seit die geldgebenden westeuropäischen Staaten aus dem Wettbewerb rausgemobbt wurden, ist das Ganze fest in den Händen von Russland, Armenien und Co.
Hier heißt es aufgepasst, dieses Jahr wurden wir so um den Genuss eines weiteren qualitativ hochwertigen Beitrages aus Irland gebracht, die für ihre mitleiderregende Enya-Kopie letztes Jahr ganze 5 Punkte absahnten. Gut, dass wir Deutschen uns einkaufen können, sonst wäre wohl Endstation für den Eurovision-Trash-Zug.
Der Siegerbeitrag dieses Jahr kam übrigens aus Russland. Auch wenn man froh war, dass der Künstler nach der Hälfte des Liedes endlich seine Kontaktlinse gefunden hatte, die ihm auf den Boden gefallen war, muss man ihm zugestehen, dass er wenigstens singen kann. Platz 2 und 3 wurden von süßen, nahezu nackigen Mädchen belegt, was den Verdacht aufkommen lässt, dass manche Länder zu arm sind, um sich anständige Klamotten zu leisten. Das müsste allerdings mal empirisch untersucht werden.
Natürlich gibt es nicht nur die bereits erwähnten leichtbekleideten Madamchen: auch dieses Jahr gab es wieder hervorstechende Auftritte einiger Einzelkämpfer, die für ihre Sache die ein oder andere musikalische Leiche übersteigen. So ist für 2008 der Beitrag Spaniens löblich zu erwähnen. Rodolfo Chikilicuatre ist anscheinend sowas wie der Stefan Raab Spaniens. Leider hat auch er nicht auf die obligatorische Tittenschau (nicht seine eigenen zum Glück) verzichtet, dennoch waren 50% der Damen in einer lächerlichen Stewardessenuniform verpackt, was die optisch sexuelle Stimulation etwas entschärfte.
Auch Frankreich setzte wieder alles daran, seinen Ruf als Nation der schönen Menschen in Frage zu stellen. Sie schickten einen bärtigen Zottel ins Rennen, garniert mit ebenso bärtigen Hintergrundsängerinnen. Leider haben mittlerweile auch die Franzosen die englische Sprache für sich entdeckt.
Kommen wir zum Fazit. Fazit, hm? Lohnt es sich überhaupt, an eine solche Veranstaltung auch nur einen Gedanken zu verschwenden? Laut Einschaltquoten lockt der Bundesvision Song Contest mehr Menschen vor die Flimmerkästen als sein internationales Pangdang, dennoch kann man der Veranstaltung eine gewisse Faszination nicht abstreiten. Während meines Englandaufenthaltes entzückten uns die ungläubigen Gesichter der Amerikaner, die doch eigentlich so einiges gewohnt sein müssten. Es mag absurd klingen, aber ein bisschen stolz machte es uns Europäer schon, den Amis das Konzept zu erklären, wie man Dutzende verschiedensprachige Länder mit den unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen unter einen Hut bringt. Quasi die Babel Reunion.
Dennoch halte ich die ganze Veranstaltung als Relikt aus anderen Zeiten für überholt und altmodisch, und zwanghaft in modernes Gewand gekleidet. Für Leute ohne Kabelanschluss und Geschmack, sowie für Lästerfreunde aus aller Welt ist dies jedoch ein Fest, auf das man sich jedes Jahr aufs Neue freuen kann.
So bleibt nur noch die finale Frage offen, wer 2009 den letzten Platz belegen wird – Deutschland oder das UK?
Mesdames et messieurs, faites votre jeu!