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Die Kegel­bow­lin­gold­schoo­l­e­r­fah­rung

Zum Trost, weil ich ja am Wochen­en­de ein biss­chen trau­rig war, waren mei­ne Mit­be­woh­ner ges­tern mit mir „al bow­ling”. Das muss man sich als einen Misch­masch aller Kugel-Roll-Kegel-Umschmeiß-Spie­le, die es so gibt, vorstellen.

Vom Bow­ling hat das Gan­ze die Anzahl der Kegel: 10. Außer­dem die Brei­te der Bahn.
Vom Kegeln hat es die Grö­ße der Kugel sowie das Feh­len der Fingerlöcher.

Aber das Schärfs­te ist. Es gibt kei­ne Schnü­re, die die Kegel auto­ma­tisch wie­der auf­stel­len. Son­dern da steht ein Mit­ar­bei­ter auf einer Platt­form über den Kegeln, beob­ach­tet das Spiel durch ein klei­nes Guck­loch, baut die Kegel dann immer wie­der per Hand auf und schickt die Kugel hin­ter­her auf der Roll­spur zurück zum Spieler.

Rüh­rend!

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Schock­the­ra­pie

Es ist soweit, ich habe zur Zeit mei­nen ers­ten Durch­hän­ger. Abge­se­hen davon, dass ich mich nicht in gewünsch­tem Maße auf Spa­nisch arti­ku­lie­ren kann (das dau­ert wohl noch 1–2 Mona­te), ner­ven mich grad eini­ge Din­ge hier.

Zunächst ist alles ziem­lich lari­fa­ri. Wenn man etwas münd­lich aus­macht, dann heißt das noch lan­ge nicht, dass man eine fes­te Ver­ab­re­dung hat. Außer­dem funk­tio­niert auch nichts auf Anhieb, bei allem muss man nach­ha­ken und mehr­mals hingehen.

Außer­dem schei­nen die Argen­ti­ni­er durch die Bank weg ADS zu haben. Die Leu­te sind sehr selbst­be­wusst, was eigent­lich ange­nehm ist. Das zeich­net sich aber auch in kom­mu­ni­ka­ti­ven Situa­tio­nen dadurch aus, dass alle immer durch­ein­an­der reden und kei­ner sich auf den ande­ren kon­zen­triert oder zuhört.

Zusätz­lich habe ich Schwie­rig­kei­ten mit den Ess­ge­wohn­hei­ten, und das auf eigent­lich absur­de Art und Wei­se. Das Essen ist hier näm­lich im All­ge­mei­nen sehr gut. Empa­na­das, Locro, Humi­t­as, Tama­le, Dul­ce de leche, Fleisch… Ich habe noch nichts geges­sen, was mir nicht geschmeckt hat. Aller­dings wird hier nicht nur zwei­mal am Tag warm geges­sen, was ich für abso­lut unnö­tig hal­te, son­dern abends isst man erst um 22 Uhr, manch­mal auch später.

Die­se Tat­sa­che ist erst zum Pro­blem gewor­den, seit ich in einer argen­ti­ni­schen WG woh­ne. Denn die bei­den sind sehr lieb und wol­len immer für mich mit­ko­chen, aller­dings zu total unmög­li­chen Zei­ten. Meis­tens hab ich schon vor­her Hun­ger und will dann aber nicht kochen, weil es ja ego­is­tisch wäre, wenn ich nur für mich koche. Also esse ich dann nur ein Brot, was sie für äußers­te Man­gel­er­näh­rung halten.

Auch geht die Nett­heit all­zu oft ins Extrem: Ich habe von Anfang an kate­go­risch Nach­ti­sche und Süß­ge­trän­ke abge­lehnt und gesagt, dass ich das nicht so ger­ne kon­su­mie­re (was eine glat­te Lüge war). Doch wenn man ein­mal Gefal­len an etwas aus­ge­drückt hat, bekommt man es stän­dig und in Über­maß vor­ge­setzt. Und wenn man es dann ablehnt, ist das unhöflich.

Gene­rell ist es hier nicht so sau­ber und auch die Hemm­schwel­le ist ein biss­chen höher als bei uns. Bei­spiels­wei­se soll­te man sich immer Klo­pa­pier auf öffent­li­che Toi­let­ten mit­neh­men. Wer also eine süd­ame­ri­ka­ni­sche Putz­frau hat, soll­te sich über ihre unzu­frie­den­stel­len­de Rei­ni­gung lie­ber nicht wun­dern – son­dern es hinnehmen.

Dass der Kul­tur­schock, den ich zur Zeit habe, ein­tref­fen wür­de, war mir schon vor­her klar. Jetzt muss ich es nur so schnell wie mög­lich schaf­fen, dar­über hin­weg zu kom­men und die guten Sei­ten zu sehen, die gibt es näm­lich zuhauf. Zum Bei­spiel sit­ze ich im Moment in einem Café mit WiFi, ich habe nichts bestellt und die Bedie­nun­gen ner­ven mich nicht mit andau­ern­dem Nach­fra­gen, son­dern sind auch noch freund­lich zu mir. Das ist hier halt so.

Auch an der Super­markt­kas­se muss man sich nicht mit dem Tüten­pa­cken abhet­zen, son­dern soll­te es im Gegen­teil lie­ber nicht eilig haben, weil die Kas­sie­re­rIn­nen mega­lang­sam sind. Und mit mega­lang­sam mei­ne ich: auch wenn nur eine Per­son mit vier Sächel­chen vor einem an der Kas­se ist, kann es bis zu 10 Minu­ten (!) dau­ern. Da ich es aller­dings sel­ten eilig habe, ist das okay.

Macht euch also kei­ne Sor­gen, mei­ne Genervt­heit ist ganz nor­mal, und wenn ich wie­der zurück­kom­me, wer­de ich mich nur noch an die guten Din­ge erinnern.

P.S.: Ist es zu glau­ben, dass mei­ne Mit­be­woh­ner sowohl in But­ter gebräun­te Sem­mel­brö­sel als auch gebra­te­ne Würs­te ver­schmä­hen, ja sogar eklig finden????

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¡Dage­gen!

Ich wur­de zwar schon vor­ge­warnt, aber jetzt ist es mir auch auf­ge­fal­len: Die Argen­ti­ni­er pro­tes­tie­ren wirk­lich gegen alles. Ständig ist irgend­wo ein Streik, eine Demo oder eine Pro­test­ver­an­stal­tung. In der letz­ten Woche waren es bei­spiels­wei­se die Stu­die­ren­den der Facul­tad de Filosofía y Letras, die einen Auf­stand mach­ten, weil das Dach der Fakultät ein­ge­stürzt ist und kei­ner die Infos wei­ter­lei­tet, wann denn nun wei­ter­stu­diert wer­den kann. Außer­dem streik­te auch die Poli­zei, die mehr Lohn woll­te (wahr­schein­lich berechtigterweise).

Die Öffent­lich­keit stört sich nicht wei­ter dran, son­dern fin­det das Gan­ze in Ord­nung (wahr­schein­lich, weil man selbst ger­ne streikt).

Auf der einen Sei­te ist es natür­lich toll, dass die Argen­ti­ni­er so lei­den­schaft­lich für ihre Rech­te ein­tre­ten. Auf der ande­ren Sei­te liegt dadurch ein gro­ßer Teil des öffent­li­chen Lebens oft lahm, sodass sich das Land meist selbst im Weg steht.

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Wie wir erst nicht in den Zir­kus konn­ten, und dann doch

Für alle, die sich schon Sor­gen gemacht haben, weil sie ein paar Tage nichts mehr von mir gehört haben: Mir geht es gut! Ich habe ein Zim­mer gefun­den, und woh­ne jetzt im Stadt­zen­trum von Tucumán. Mei­ne Mit­be­woh­ner sind unheim­lich nett und woll­ten mich schon gleich am ers­ten Wochen­en­de zu ihrer Fami­lie mit­neh­men. Ihre Kusi­ne wird näm­lich 15 und das wird bei den Mäd­chen hier ganz groß gefei­ert, weil es den Ein­tritt in ihre Frau­lich­keit dar­stellt. Und – ganz argen­ti­nisch – fängt die Par­ty erst um Mit­ter­nacht an. Dies­mal bin ich nicht mit­ge­kom­men, aber so wie ich die bei­den ein­schät­ze, wer­den sie mich jetzt wohl öfter nach Sant­ia­go zu ihrer Fami­lie mitnehmen.

Übri­gens ist mein Zim­mer recht geräu­mig und die bei­den wol­len, dass alle mei­ne Besu­che­rIn­nen bei mir schla­fen, weil „die Aus­län­der hier in den Hotels immer abge­zockt wer­den”. Wer mich also besu­chen will: ich hab ein bis zwei Bet­ten frei.

Was soll denn nun die Über­schrift die­ses Arti­kels bedeu­ten? Fol­gen­des: Wir woll­ten am Frei­tag in den Zir­kus gehen. Unse­re Gut­schei­ne, die uns ver­bil­lig­ten Ein­tritt ver­schaf­fen soll­ten, hat­ten aber kei­ne Gül­tig­keit für die Vor­stel­lung. Also waren wir etwas unschlüs­sig und sind dann ein­fach noch auf ein Getränk ins Zen­trum. Da war es schon 23 Uhr.

Um Mit­ter­nacht bekam mein Mit­be­woh­ner eine SMS von einem Freund, dass es eine Pri­vat­par­ty gäbe, das Ver­klei­dungs­mot­to: Zir­kus! Wir also nach Hau­se, um uns irgend­wie zir­kus­mä­ßig anzu­zie­hen und zu schmin­ken. Da war es dann halb eins. Ich dach­te, hal­be Stun­de fer­tig­ma­chen, dass wir um eins auf der Par­ty sind. Aber da hab ich ver­ges­sen, dass ich in Argen­ti­ni­en bin. Mei­ne Mit­be­woh­ne­rin schmink­te uns alle so kunst­fer­tig, dass wir hin­ter­her jeden Kos­tüm­wett­be­werb gewon­nen hät­ten. Das dau­er­te aller­dings auch sei­ne Zeit. Um halb vier waren wir dann schließ­lich auf der Par­ty, dem­entspre­chend waren wir auch um 8 Uhr mor­gens erst wie­der daheim. Wenn das jetzt so wei­ter­geht, geh ich nach vier Mona­ten auf jeden Fall auf dem Zahnfleisch.

Die Par­ty war übri­gens sehr inter­es­sant. Man merkt, dass die Leu­te Rhyth­mus im Blut haben. Ich muss­te mich von der deut­schen Tanz­wei­se, die eher stamp­fend Rich­tung Boden geht, erst­mal los­lö­sen und mich der latein­ame­ri­ka­ni­schen Wei­se anpas­sen. Mein Tipp: ein­fach immer mit dem Hin­tern wackeln, erst wenn man sich tie­risch einen abschwitzt, macht man es rich­tig. Auch die eher indi­vi­du­ell in sich gekehr­te Art zu tan­zen (jeder tanzt für sich allein), kann man hier ver­ges­sen. Ich kam mir auf jeden Fall sehr plump vor.

Die lus­tigs­te Sze­ne des Abends war aber, als wir drei zur Par­ty los­mach­ten. Wir hiel­ten ein Taxi an und stie­gen ein. Der Taxi­fah­rer dreh­te sich um, und schau­te uns kon­ster­niert an (wegen unse­rer Ver­klei­dung). Schwei­gen. Aber dann durch­brach mein Mit­be­woh­ner die Stil­le und sag­te: „Zum Zir­kus bitte!”

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Back in town

Sode­le. Das war also mein Aus­flug aufs Land. Die Stre­cke an und für sich war nicht lang, Luft­li­nie sind es nur geschätz­te 100 km von Tucumán nach San­ta María, aber da wir auf über 3000 m rauf muss­ten, durch einen Nebel­wald und das Städt­chen Tafí del Val­le – das Kitz­bü­hel der Anden – und auf der ande­ren Sei­te wie­der run­ter, waren wir 5h Stun­den unter­wegs. Und das nicht wie bei uns, auf einer beque­men schnur­ge­ra­den Auto­bahn, son­dern Ser­pen­ti­nen ent­lang mit dem Neben­ef­fekt, dass einen der Höhen­un­ter­schied und das Gekur­ve duse­lig macht.

Es hat sich aber gelohnt, denn obwohl bei der Abfahrt in Tucumán Regen bei 15°C war, und es auch in Tafí nicht bes­ser wur­de, emp­fing uns das Tal von San­ta María mit strah­len­dem Son­nen­schein und 25°C (abends). Und so blieb es dann auch die nächs­ten Tage. Das ist echt ver­rückt hier, man fährt ein paar Meter und schon sieht alles anders aus und man ist ist einer völ­lig unter­schied­li­chen Klimazone.

In San­ta María haben wir dann ganz rus­ti­kal gezel­tet, ohne flie­ßend Was­ser und mit Lager­feu­er. Und rus­ti­kal, das bedeu­tet natür­lich auch, dass es Tie­re gab: schö­ne Tie­re wie klei­ne Meer­schwein­chen, Pfer­de, Esel, Hun­de, Kat­zen, Füch­se, Vögel. Und blö­de Tie­re wie Skor­pio­ne und Schlan­gen (hab ich aber nicht gese­hen), außer­dem zu mei­nem Ent­set­zen rie­sen­gro­ße (Hand­grö­ße!) Spin­nen im Zelt („Die ist aber bestimmt nicht gif­tig, so groß wie die ist.”). Ein Hor­nis­sen­nest hat­ten wir auch neben­an, aber wie ich schon bei den Hun­den fest­ge­stellt habe, sind die Tie­re hier in Argen­ti­ni­en irgend­wie ent­spann­ter und kein biss­chen aggres­siv. Das liegt bestimmt an der Laissez-faire-Lebensweise.

Nachts konn­ten wir geschät­ze hun­dert Mil­li­ar­den Ster­ne sehen (übri­gens nimmt hier süd­lich des Äqua­tors die Son­ne nicht im Süden, son­dern im Nor­den ihren Lauf) und auch vie­le Stern­schnüpp­chen. Was beson­ders auf­fäl­lig war, war die offen­sicht­lich noch größ­ten­teils indi­ge­ne Bevöl­ke­rung, die auch immer noch einen star­ken Bezug zu den Tra­di­tio­nen der Urbe­völ­ke­rung hat. So gos­sen auch wir abends den ers­ten Schluck Wein auf den Boden, als Tri­but für Pacha­ma­ma, also Mut­ter Erde. Alles in allem ist San­ta María ein ruhi­ges, hüb­sches und net­tes klei­nes Städt­chen, in dem es sich garan­tiert gut leben lässt.

Was ich gelernt habe: mein Zelt immer her­me­tisch abzu­rie­geln, dass die Sies­ta hier ein­fach dazu­ge­hört (geht von 13–17 Uhr, sogar die Tie­re machen eine Sies­ta), dass Klei­dung auch immer noch schmut­zi­ger wer­den kann und dass ich zum Haa­re­wa­schen kei­ne Dusche brau­che (ein Fluss oder eine Schüs­sel genü­gen). Außer­dem, dass man für ein ordent­li­ches Asa­do wirk­lich nur einen Rost, Holz­koh­le und gutes Rind­fleisch braucht.

Eben Zel­ten auf argentinisch.